Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Weingarten und die Neugestaltung des Alamannenmuseums
Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Weingarten gehört zu den größten Bestattungsplätzen im Reihengräberkreis, 801 Gräber wurden zwischen etwa 450 und 700/720 angelegt. Damit gehört Weingarten zu den wenigen Friedhöfen des Frühmittelalters, die während der gesamten Merowingerzeit genutzt wurden. An wenigen Fundpunkten, besonders im Neckarraum, fanden sich kurzfristig belegte Friedhöfe– aus der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts. Meist ist ein Beginn der Gräberfelder erst im Verlauf des 6. bzw. auch erst im 7. Jahrhundert nachzuweisen.
Die Funde aus den Gräbern zeigen ein weites Spektrum hinsichtlich Accessoires der Kleidung, der Bewaffnung und besonders zahlreicher Kleingeräte. Hier sind vielfältige Rückschlüsse auf spezifische Bestattungssitten, soziale Differenzierungen nicht nur der reich ausgestatteten Gräber oder auf technologische Aspekte möglich. Deutlich seltener - und im Verlauf des 7. Jahrhunderts eigentlich nicht mehr zu beobachten - sind Gefäße aus Keramik oder Glas, die als Beleg für die Speise- und Trankbeigabe gedeutet werden können. Dagegen treten dann verstärkt christliche Symbole auf.
Auch detaillierte Analysen an den Skelettfunden erlauben neben den gängigen Bestimmungen von Alters- und Geschlechtsverteilungen weitreichende Aussagen zu Ernährung, Krankheit und möglichen verwandtschaftlichen Beziehungen.
Aufgrund der besonderen Bedeutung des Fundplatzes wurde in den 1970er Jahren in Weingarten ein eigenes Museum für das Gräberfeld eingerichtet. Nun nach 30 Jahren stellte die Stadt Weingarten die notwendigen Gelder zur Verfügung, um die Ausstellung neu zu konzipieren und neu zu gestalten, die Neueröffnung fand am 6. Juni 2008 statt. Vor Ort arbeitete Constanze Cordes im Team mit den Mitarbeitern des Stadtmuseums Uwe Lohmann und Rolf Schaubode und dem Designbüro Bertron.Schwarz.Frey an der Neugestaltung. Die weitere wissenschaftliche Betreuung erfolgt von Wien aus. C. Cordes schrieb regelmäßig in Archaeologie-Online Magazin über den Fortgang der Arbeiten.
Ein Katalog der Grabfunde erschien bereits 1995, des Weiteren sind etliche Detailanalysen publiziert worden. Durch zahlreiche andere Verpflichtungen und Ortswechsel sowohl von Helmut Roth als auch von mir bzw. durch den Tod von Helmut Roth ist die Auswertung leider verzögert worden. Zurzeit werden weitere Manuskripte, einige Magisterarbeiten und Dissertationen erstellt, um die zu Recht lange geforderte Auswertung voranzubringen und in etwa 2-3 Jahren vorzulegen.
http://www.archaeologie-online.de/magazin/fundpunkt/ausstellungen/
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Alamannenmuseum Weingarten
Im Kornhaus
Karlstraße 28
88250 Weingarten
Literatur
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