Herstellungstechniken und Herstellungswerkstätten von frühmittelalterlichen Glasperlen aufgrund der farbgebenden Komponenten und Mineralien

Gefördert vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 1996-2000

 

Das Projekt zu „Herstellungstechniken und Herstellungswerkstätten von frühmittelalterlichen Glasperlen aufgrund der farbgebenden Komponenten und Mineralien“ untersuchte zentrale Fragen zu Kontinuität zwischen der römisch geprägten Spätantike dem und germanisch geprägten Frühmittelalter. Mit handwerk- und handelgeschichtlichen Analysen sollten Herstellungsprozessen und Verteilung von frühmittelalterlichen Gütern untersucht werden. Perlen boten sich dafür besonders an. Sie sind aufgrund des Grabritus während des 5 - 7. Jahrhunderts in fast allen Frauengräbern des Reihengräberkreises vertreten. Sie unterliegen keinerlei zeitlichen, regionalen oder sozialen Beschränkungen und liegen in großen Mengen vor. Schon zu Beginn des Förderzeitraums waren durch chronologische Untersuchungen zu merowingerzeitlichen Perlen grundlegende Arbeiten vorgelegt worden (Abb.1).

Abb. 1: Zweidimensionale Darstellung der Eigenvektoren im Ober- und Mittelrheingebiet (nach Matthes u.a. 2004).

Untersuchungsschwerpunkt in dem Projekt waren monochrome Perlen aus den Gräberfeldern entlang des Rheins bei Schleitheim (Schweiz), Endingen, Eichstetten, Griesheim, Groß Gerau, Saffig, Miesenheim und Krefeld-Gellep. Ihre chemische Zusammensetzung sollte Auskunft über mögliche Herkunft und ihre Verbreitung und somit Verteilungsstrukturen im frühen Mittelalter geben.

Im Rahmen des Projektes sind 1493 Glasperlen mit der EDRFA (energiedispersiven Röntgenfluoreszenzanalyse) zerstörungsfrei gemessen worden. Darunter fielen 127 weiße, 87 grüne, 100 orangefarbene, 187 braune und 992 gelbe Perlen. Ziel dieser Messreihe war es, die chemische Zusammensetzung der Perlen und ihre Konzentrationen zu ermitteln.

Ein gefärbtes Glas besteht aus einem Basisglas (Glasmatrix) und farbgebenden Komponenten. Als Basisglas konnte ein Soda-Kalk-Glas festgestellt werden. Trotz leichten lokalen Abweichungen weist das Basisglas der Perlen große Übereinstimmung mit der Zusammensetzung antiker römischer Gläser auf. Die seit der römischen Kaiserzeit bekannte Rezeptur wurde auch im Frühmittelalter verwendet. Diese Einheitlichkeit legt nahe, dass von einer zentralen Produktion des Rohglases auszugehen ist.

Allerdings variieren die Anteile des Basisglases am Gesamtanteil des Glases erheblich. Dies bedeutet, dass unterschiedlich große Mengen an farbgebenden Komponenten der Glasmatrix beigegeben wurden.

Die farbgegebende Komponenten konnten für die Hauptfragen Gelb, Rotbraun, Weiß, Orange und Grün bestimmt werden. Eine gelbe Pigmentierung wurde seit dem 2. Jahrtausend bis in das 4. Jh. n. Chr., wie römische und ägyptische Funde zeigen, durch ein Bleiantimonatpigment (Pb2Sb2O7) erreicht. Bleistannat wurde seit dem 2. bis 4. Jh. n. Chr. Eingesetzt. Seit dem  2.–4. Jh. n. Chr. wurde weißes Glas durch Zinnoxidpigment (SnO2) gefärbt, das allerdings im keltischen Kulturbereich schon seit dem 3.-1. Jh. v. Chr. Farbmittel war. Grüne Perlen werden aufgrund ihrer farbgebenden Komponenten in zwei Gruppen aufgeteilt: Dunkelgrüne bis hell türkisfarbene, die ihre mit einer hohen Variabilität der Tönungen versehene Farbgebung einer Mischung von CuO, PbO, MnO und Fe2O32) wurde als Trübungsmittel eingesetzt. Die Orangefärbung der Perlen ist auf Beimengung von Cuprit (Cu2O) zurückzuführen. Braun gefärbte Gläser sind durch fein verteiltes elementares Kupfer gefärbt.

Die Farben Grün, Orange und Braun wurden maßgeblich durch verschiedenes Kupfer eingefärbt. Bei braunen Perlen konnte aufgrund von Gefügeuntersuchungen nachgewiesen werden, dass das Reduktionsmittel Eisen(II)oxid ursprünglich aus einer Rennofenschlacke stammte. In Wijnaldum wurden Tiegelfragmente mit anhaftendem gelbem Glas zusammen mit anderen Produktionsabfällen eines Schmiedes / Bronzegießers gefunden. Bei gelben Perlen wird das Pigment Bleisttannat aus Bleioxid gewonnen, das in großen Mengen bei der Silbergewinnung (Kupellation) abfällt. Seit der jüngeren Merowingerzeit wurden arsen- und antimonhaltige gelbe Perlen hergestellt, die sich von den anderen auch durch ihre Bleiisotopenverhältnisse absetzten. Für diese Isotopenverhältnisse ließen sich wiederum Parallelen im südlichen Schwarzwald finden, so dass man gute Indizien dafür hat, dass die gelben Perlen Anzeiger für einen beginnenden Bergbau im südlichen Schwarzwald sind. Die genannten Indizien zeigen alle einer Verbindung von Metallverarbeitung und Glasperlenherstellung, wie sie auch schon für andere Zeiten und Regionen festgestellt wurden. Es ist also davon auszugehen, dass die verschiedenen Handwerkszweige zusammen arbeiteten.

Probleme bereitete bei den Messungen die Oberflächenverwitterung der Perlen. Da die Perlen nicht angeschliffen werden durften und ein zerstörungsfreies Messverfahren verwendet wurde, konnten nur Werte mit Verwitterungsschicht gemessen werden. Die Verwitterung betraf fast alle Elemente, jedoch unterschiedlich stark. Die am wenigsten betroffenen Elemente wurden herangezogen, um eine Gruppentrennung aufgrund der unterschiedlichen chemischen Zusammensetzung innerhalb der Farbengruppen vorzunehmen. Dabei konnte kein Element des Basisglases verwendet werden. Eine Clustereinteilung erfolgte über die farbgebenden Komponenten oder ihre Beigemenge, die überwiegend als Oxide auftraten. Eine signifikante Unterscheidung in verschiedene Cluster erfolgte dann, wenn zwischen beiden Clustern das Dreifache der mittleren Standardabweichung festgestellt wurde (3-Sigma-Kriterium). Mit dieser hohen Unterscheidungsschwelle wurde der Imhomogenität des Glases der merowingerzeitlichen Perlen Rechnung getragen. Die Untersuchungen erfolgten getrennt nach Farben.

Die archäologische Auswertung dieser Cluster zeigte deutlich, dass sich in zeitlich und räumlich verschiedene Cluster unterscheiden lassen. Sie ließen sich in drei Typen untergliedern: Perlen überregionaler Verbreitung, Perlen regionaler Verbreitung, Perlen lokaler Verbreitung. Erwähnt seien rundliche gelbe Perlen, die einen deutlich höheren Silikatanteil aufweisen als z. B. Mehrfachperlen, die wesentlich mehr Bleianteile besitzen. Die rundlichen Perlen der älteren Merowingerzeit haben eine weite Verbreitung, sie sind in allen untersuchten Gräberfeldern vertreten (Abb. 2-3, Tab. 1, Karte 1). Auch gleiche Perlen aus der kaiserzeitlichen Siedlung von Feddersen Wierde und Flögeln passen in dieses Cluster. Die Mehrfachperlen dagegen lassen sich in mehrere unterschiedliche Cluster gliedern. Hier wird offensichtlich, dass das hochwertigere silikatreiche Glas der frühen Merowingerzeit noch starke Anknüpfungspunkte an die römische Kaiserzeit hat, als das hochbleihaltige - qualitativ schlechtere Glas der Mehrfachperlen der späten Merowingerzeit.

Abb. 2: rundliche gelbe Perlen aus Feddersen Wierde (Foto: Cl. Theune)

Abb. 3: gelbe Mehrfachperle aus Weingarten (Foto: Cl. Theune)

Tab. 1: Laufzeit und Verbreitung der Cluster gelber Perlen (nach Matthes u.a. 2004)

Karte 1: Verteilung der gelben Perlen aufgrund der Clustereinteilung (nach Matthes u.a. 2004)

Ein weiteres Beispiel seien die arsen- und antimonhaltigen Perlen der späten Merowingerzeit (2. H. 7. Jh.). Diese Perlen treten nur in einem regional und zeitlich begrenzten Rahmen auf und sind ein Beispiel für ein kleinräumige Produktion und Verteilung.

Die überregional anzusehenden Cluster beinhalten Perlen, die in spätantiker Tradition hergestellt wurden und in die ältere Merowingerzeit zu datieren sind. In der jüngeren Merowingerzeit sind die Cluster in der Weise zu deuten, dass die Perlen eines Clusters nur eine lokale Verbreitung erfuhren. Die Glaszusammensetzung der Perlen belegt also eine stärkere Regionalisierung im 7. Jh.

Die unterschiedlichen Cluster der farbgebenden Komponenten zeigen außerdem, dass die Perlenproduktion in mehreren Produktionsschritten vonstatten ging. Das Rohglas wurde wohl in zentralen Werkstätten hergestellt und über weite Räume verteilt. Die farbgebenden Pigmente wurden in unterschiedlichen Rezepturen in unterschiedlichen Regionen und Zeiten hergestellt und dem Rohglas für die Perlen zugemischt.

Die unterschiedlich hohen Farbkomponentenanteile waren schließlich auch ein Beleg dafür, dass zumindest das Einfärben des Glases (neben der Perlenherstellung) an verschiedenen Orten im merowingischen Raum stattfand und die Perlen als Endprodukte somit keine Importware darstellen. Während für einige Cluster eine überregionale Produktion angenommen werden kann, gilt jedoch für die meisten Perlen, dass die Pigmentierung und damit die Einfärbung des Glases und die Perlenfertigung selbst in regionalen, teilweise auch in lokalen Werkstätten erfolgt ist. Hinweise hierfür gaben auch die Bleiisotopenanalysen, bzw. die Ergebnisse zum braunen Glas bei monochromen Perlen. Im Gegensatz dazu wies das Glas der Millefioriperlen eine andere Zusammensetzung auf. Millefioriperlen sind also, wie schon immer angenommen wurde, Einfuhrgüter.

Literatur:

M. Heck/T. Rehren/P. Hoffmann, Archäometrische Untersuchungen eines merowingerzeitlichen Tiegelfragmentes mit anhaftendem gelben Glas aus Schleitheim. In: M. Höneisen (Hrsg.), Das frühmittelalterliche Schleitheim – Kirche, Siedlung, Gräberfeld. Schaffhauser Arch. 5

Chr. Matthes/M. Heck/Cl. Theune/P. Hoffmann/J. Callmer, Produktionsmechanismen von frühmittelalterlichen Glasperlen. Germania 82-1, 2004, 109-157

P. Hoffmann / M. Heck / S. Bichlmeier / Cl. Theune / J. Callmer, Chemical Composition of Glass Beads of the Merovingian Period from Graveyards in the Black Forest, Germany. X-Ray Spectrometry 29, 2000, 92-100.

M. Heck, Chemisch-Analytische Untersuchungen an frühmittelalterlichen Glasperlen. Dissertation Darmstadt 2000

Y. Sablerolles, Beads of Glass, Faience, Amber, Baked Clay and Metal, Including Production Waste from Glass and Amber Bead Making. In: The Excavations at Wijnaldum 1 (Rotterdam 1999) 253-285.

P. Hoffmann / S. Bichelmeier / M. Heck / Cl. Theune / J. Callmer, Glasmatrix der Perlen merowingerzeitlicher Frauengräber von Eichstetten und Endingen. Arch. Korrbl. 29, 1999, 395-406.

Cl. Theune / J. Callmer / M. Heck / P. Hoffmann, Glasperlenproduktion im Frühmittelalter. Ethnogr.-Arch. Zeitschr. 38, 1997, 225-234.

S. Bichlmeier, Untersuchung merowingerzeitlicher Glasperlen unterschiedlicher Farbgruppen und Fundorte mit Hilfe der energiedispersiven Röntgenflureszenzanalyse zur Bestimmung der Glasmatrix. Diplom-Arbeit Darmstadt 1997

Y. Sablerolles/J. Henderson/W. Dijkman, Early medievel glassbead-making in Maastricht (Jordenstraat 30), The Neatherlands. An archaeological and scientific investigation. In: U. von Freeden/A. Wieczorek (Hrsg.), Perlen. Archäologie, Techniken, Analysen. Akten Internat. Perlensymposiums Mannheim 1994. Koll. Vor- u. Frühgesch. 1  (Bonn 1997) 293-314.

B. Sasse / Cl. Theune, Perlen - Leitfunde der Merowingerzeit. Germania 74/1, 1996, 187-231.

Danksagung:

Das Projekt „Herstellungstechniken und Herstellungswerkstätten von frühmittelalterlichen Glasperlen aufgrund der farbgebenden Komponenten und Mineralien“ wurde von 1996 - 2000 durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie im Rahmen des am Forschungszentrum Jülich GmbH angesiedelten Schwerpunktes „Einsatz neuer Technologien in den Geisteswissenschaften“ gefördert. Am Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin wurden die archäologischen Fragestellungen untersucht (Dr. Cl. Theune-Vogt, Chr. Matthes, Prof. Dr. J. Callmer), am Institut für Materialwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt wurden die chemischen Analysen und deren Interpretation durchgeführt (Dr. P. Hoffmann, Dr. M. Heck). Es sei an dieser Stelle besonders Herrn Dr. H. J. Krebs und Herrn Dr. K. D. Husemann gedankt.

Besonders möchten wir uns auch bei Prof. Dr. G. Fingerlin (Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Abt. Archäologische Denkmalpflege, Außenstelle Freiburg); Dr. H. Göldner (Landesamt für Denkmalpflege, Abt. Archäologische Denkmalpflege, Darmstadt); Dr. H.-H. Wegener, Dr. A. von Berg (Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Abt. Archäologische Denkmalpflege, Außenstelle Koblenz), Dr. Chr. Reichmann, Dr. M. Siepen (Museum Burg Linn, Krefeld), Dr. M. Höneisen (Schleitheim); Prof. Dr. H.-W. Böhme, V. Hilberg (Philipps-Universität Marburg) für die großzügige Überlassung des reichen Perlenmatierials bedanken. Spezielle Untersuchungen verdanken wir Dr. Th. Rehren (Institute for Archaeo-Metallurgical Studies, University College London), Prof. Dr. U. Haack, Dr. J. Schneider (Institut f. Geowissenschaften und Lithosphärenforschung, Justus-Liebig-Universität Gießen)