Archäologie in Pagram – ein mittelalterliches Dorf mit vielfältigem Handwerk vor den Toren der Hansestadt Frankfurt (Oder)
Das Gebiet zwischen Elbe und Oder ist für die Erforschung der wirtschaftlichen Verhältnisse von besonderem Interesse, ging man doch in der Vergangenheit davon aus, dass die ländlichen Siedlungen lediglich agrarische Güter produzierte, während die Versorgung mit weiteren Produkten durch die Städte gewährleistet wurde. Jüngste Ausgrabungen in Brandenburg verdeutlichen aber immer wieder, dass auch in den ländlichen Siedlungen vielfältiges Handwerk vertreten war. Auch die Ausgrabungen des Lehrstuhls für Ur- und Frühgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin (in Kooperation mit dem brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege) in der mittelalterlichen Wüstung Pagram westlich von Frankfurt (Oder) geben diesbezüglich entscheidende Hinweise.
Pagram ist heute ein kleiner ländlich strukturierter Ortsteil von Frankfurt (Oder) und liegt rund 8 km westlich der Oderstadt. Die mittelalterliche Siedlung erstreckte sich rund 500 m zu beiden Seiten eines kleinen Bachlaufes. Die Wassernähe bedingte wohl im Mittelalter die Wahl des Siedlungsplatzes. Aber auch die Nähe zu einer traditionellen West-Ost-Fernstraßenverbindung, die von Magdeburg kommend über Brandenburg an der Havel und Berlin-Köpenick die Oder bei Frankfurt überquerte und weiter nach Poznan führte, wird mit für die Platzwahl entscheidend gewesen sein. Die heutige Bundesautobahn zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) nutzt in etwa die alte Trassenführung.
Die mittelalterliche Wüstung Pagram wenig westlich der alten Hansestadt Frankfurt (Oder) ist seit dem Autobahnbau in den 1930er Jahren bekannt. In den 1990er Jahren zeigten Sondierungen, Luftbilder und Begehungen ein am Pagrambach gelegenes Angerdorf mit insgesamt 15 Höfen beiderseits des Bachlaufes sowie die Hofstelle 1 im zentralen Bereich. Inzwischen sind 17 Hofstellen bekannt.
Schriftliche Quellen geben seit der Mitte des 14. Jahrhunderts Hinweise auf den Ort, in der Mitte des 16. Jahrhunderts war Pagram schon wüst gefallen. Späte slawische Keramik, sogenannte Übergangsware und harte Grauware deuten auf einen Beginn der Siedlung im frühen 13. Jahrhundert.
Die Lehrgrabungen konzentrierten sich zunächst auf die Hofstelle 1, die im Zentrum der Siedlung direkt am Pagrambach liegt. Während der ersten beiden Kampagnen fanden sich Anzeichen eines großen Schadensfeuers in diesem Bereich. Neben einer massiven Brandschicht deuten weiterhin durchgeglühte Steine und sekundär gebrannte Scherben darauf hin. Halbfabrikate der Knochenverarbeitung, Spinnwirtel und Schmiedeeisenschlacken lieferten schon 2003 Hinweise, dass im Bereich der Hofstelle 1 verschiedene Handwerke ausgeübt wurden. Weitere Kleinfunde geben einen Einblick in die ländlichen Lebenswelten.
Neu hinzugekommen sind Anzeichen für die Bronzeverarbeitung durch Schmelzreste und kleine Bronzefragmente, die evtl. zum Wiedereinschmelzen verwendet werden sollten.
Die Kampagne 2005 erbrachte auch die lang erwarteten Befunde. Auf einer Fläche von rund 40 m² wurden die Reste von über zehn Herden und Öfen freigelegt.
Die Herdflächen bestanden aus im Zentrum stark verziegeltem Lehm, in den Randbereichen aus gelbem Lehm, teilweise lassen sich Hinweise auf eine gezielte Luftzufuhr erkennen. Die Herde wurden mehrfach erneuert, es fanden sich bis zu drei gleichartige Befunde übereinander. Bei den Herden wird es sich wohl am ehesten um Schmiedeessen handeln, da auch die Schlacken in der Nähe gefunden wurden. Eine Analyse der Schlacke zeigte, dass neben Schmiedeschlacken auch Fließschlacken und Ofenschlacke vertreten ist. Damit scheint sich anzudeuten, dass in Pagram wohl auch eine Rennfeuerofen stand.
Zwar sind alle Öfen nur in den untersten Lagen erfasst worden, doch Stakenlöcher in der Wandung zeigen, dass ehemals ein Überbau vorhanden gewesen sein muss. Die Öfen sind in der Regel birnenförmig, teilweise lediglich aus Lehm mit einem Strohgemisch aufgebaut, teilweise stützen Rollsteine den unteren Teil der Konstruktion, auch hier ist der zentrale Bereich der Ofenkammer durch hart verziegelten Brandlehm gekennzeichnet. Mächtige Aschepakete in der näheren Umgebung belegen die häufige Benutzung der Öfen. Das wiederholte Ausräumen zeigen auch die Profile, bei denen sich schmale humose Laufhorizonte und dünne weiße Ascheschichten rund ein Duzend mal abwechseln. Damit wird es sich bei den Öfen um Backöfen handeln.
Nach dem bisherigen Stand können in der Hofstelle 1 mindestens elf und in Hofstelle 10 zwei Feuerungsanlagen erfasst werden. Auch wenn die Anlagen nicht gleichzeitig bestanden, ist doch evident, dass die für viele Handwerke notwendigen Öfen und Herde auch in Pagram stark vertreten waren. Man kann hier nicht mehr von ländlichem Hauswerk oder Subsistenzhandwerk sprechen, sondern wird wohl in Pagram, vor den Toren der im Ostseehandel stark engagierten Stadt Frankfurt (Oder) ein Handwerk mit Überschussproduktion voraussetzen können.
Abbildungsnachweis: Alle Fotos: Cl. Theune; Grafik. K. Misterek
Literatur
Cl. Theune, „das dorff pagerem“ Die mittelalterliche Wüstung Pagram bei Frankfurt (Oder). Arbeitsberichte zur Archäologie Brandenburgs 17 (Wünsdorf 2007).
Cl. Theune, Hausbau auf dem Lande. In: G.H. Jeute/J. Schneeweiß/Cl. Theune (Hrsg.), Aedificatio terrae. Beiträge zur Umwelt- und Siedlungsarchäologie Mitteleuropas [Festschrift E. Gringmuth-Dallmer] Internat. Arch. - Studia honoraria (Rahden/Westf. 2007) 237-244.
Cl. Theune, Die Siedlung Pagram bei Frankfurt (Oder). In: Neue Perspektiven auf die bäuerliche Ostsiedlung des Mittelalters im nördlichen Ostdeutschland. Internat. Workshop Greifswald April 2004. Greifswalder Mitteilungen 7 (Frankfurt/Main 2005) 293-301.