Mittelalterliche Siedlungsarchäologie im nördlichen Waldviertel, Niederösterreich

Abb. 1: Plan der Burganlage Sand (© S. Felgenhauer).

Das heutige Niederösterreich hatte eine zentrale Position bei der Ausgestaltung des mittelalterlichen östlichen mitteleuropäischen Raums. Nach dem Sieg über die Awaren 799 wurde die Region dem karolingischen Reich einverleibt, dem Donauraum kam dabei eine bedeutende Rolle zu. Das nördliche Gebiet stand unter noch mährischem Einfluß. Im frühen 10. Jahrhundert (907) musste jedoch nach der Schlacht von Pressburg und der Niederlage der Bayern gegen die Ungarn die Grenze an die Enns zurückverlegt werden und das Land stand unter ungarischer Oberhoheit. Erst nach der Schlacht auf dem Lechfeld 955 fassen die Babenberger Fuß und sind im Hochmittelalter das führende Fürstengeschlecht.

Dass auch das nördliche Waldviertel in dieser frühen Phase eine bedeutende Rolle spielt, zeigen die Ausgrabungen in Gars-Thunau und auf der Burg „Sand“ (Oberpfaffendorf bei Raabs an der Thaya). In „Sand“ entstand um 926/930 eine mehrteilige Burganlage auf einem Rücken hoch über einer Thayaschlinge. Im Norden  wurde ein Wall aus mit Steinen und Erde gefüllten Holzkästen errichtet, dem eine doppelte Trockensteinmauer vorgeblendet war. Mit Ausnahme eines hervorgehobenen Bauwerks auf Steinfundamen befanden sich alle Siedlungnachweise direkt hinter den Wällen.

Von besonderer Bedeutung sind einige Funde, die mit dem Ende der Burg in Verbindung zu bringen. Es handelt sich dabei um rund 25 so genannte ungarische Pfeilspitzen mit rhombischen Blatt und Schaftdorn.

Nur wenig jünger als die Anlage in „Sand“ ist die Burg Raabs. Bei archäologischen Ausgrabungen in der Burg konnten Mauerzüge eines zweiräumigen Steinhauses des 11. Jahrhundert freigelegt werden. Damit handelt es sich um einen der ersten steinernen Wehrbauten in der Region. Zu den Funden eines adeligen Milieus zählen Spielsteine.

Von der Burg Raabs ging sicherlich der hochmittelalterliche Landesausbau im Waldviertel aus. Besonders im 12. Jahrhundert ist mit der Gründung zahlreiche Dörfer zu rechnen. Dazu zählt auch die Wüstung Hard bei Thaya.

Die Anlage von Kleinhard besteht aus einem zweiteiligen Steinbau, er gliedert sich in einen 16 x 6 m großen Saalbau und eine anschließenden mehrgeschossigen Turm.  Im unmittelbaren Umfeld des Steinhauses wurde ein Rennofen zur Eisengewinnung gefunden. Die Keramikfunde und zwei Münzen datieren Kleinhard von der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts bis in die 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Abb. 2: Rekonstruktion des Steinbaus in Kleinhard (© S. Felgenhauer).

Das Dorf Hard befindet sich nur knapp 100  m weiter südlich von Kleinhard entfernt. 10 Bauerhäuser sind in 2 Zeilen regelhaft angeordnet. Die Häuser sind zwei- bis dreiteilig mit eine Fläche von 59 – 117 m².

Abb. 3: Plan des mittelalterlichen Dorfes Hard (© S. Felgenhauer).

Abb. 4: Hard (© S. Felgenhauer).

Im hinteren Gebäude befand sich ein Speicherraum, im vorderen Bereich fand sich ein beheizbarer Raum. Hin kommt bei einigen Häusern noch ein Raum, der als Stall gedeutet werden kann. Am südlichen Ende des Dorfes stand ein in mehreren Phasen erweiterter Herrenhof, der durch eine Toranlage vom Dorf aus zu betreten war und von einem seichten Graben umgeben ist. An drei Seiten konnten Steingebäude nachgewiesen werden, wobei  aber nur ein 6 x 6m großer Turm eine Mörtelbindung aufweist.

Literatur:

S. Felgenhauer-Schmiedt, Herrschaftszentren und Burgenbau des 10. Jahrhunderts in Niederösterreich. Neue archäologische Forschungen im nördlichen Grenzgebiet. In: J. Henning (Hrsg.), Europa im 10. Jahrhundert. Archäologie einer Aufbruchszeit (Mainz 2002) 381-396.

S. Felgenhauer-Schmiedt, Niederösterreich im 10. Jahrhundert. Der archäologische Befund. In: F. Daim/E. Lauermann, Das frühungarische Reitergrab von Gnadendorf (Niederösterreich). Monogr. RGZM 64 (Main 2007) 253-267.

S. Felgenhauer-Schmiedt, Hard. Ein Wüstungskomplex bei Thaya im niederösterreichischen Waldviertel. Arch. Forsch. Niederösterreich 6 (St. Pölten 2008) (mit älterer Literatur).