Die Entstehung des Vorgeschichtlichen Seminar an der Philipps-Universität in Marburg 2000-2006

Zum 1. Mai 1928 wurde Gero von Merhart zum Direktor des vorgeschichtlichen Seminars der Philipps-Universität in Marburg ernannt, nachdem er im März 1928 auf den ordentlichen Lehrstuhl für Prähistorie berufen wurde. Damit war die Vor- und Frühgeschichte erstmals fest in den Fächerkanon einer deutschen Universität aufgenommen.

Schon früher gab es in Deutschland diverse Professoren und Dozenten, die prähistorische Lehrveranstaltungen abhielten, jedoch keinen ordentlichen Lehrstuhl. Seit 1920 wurde dem archäologischen Seminar in Marburg unter Paul Jacobsthal eine prähistorische Abteilung unter der Leitung von Walther Bremer angegliedert. Die Einrichtung des ordentlichen Lehrstuhls in Marburg erfolgte 1927 im Zuge des 400jährigen Jubiläums der Philipps-Universität in Marburg.

Bremer promovierte 1910 in Gießen und war schon seit dem Studiums mit der hessischen Altertumskunde vertraut. Neben einem Volontariat im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz war er auch in der Denkmalpflege in Hessen tätig. Er nahm als Kriegsfreiwilliger am ersten Weltkrieg teil, geriet in englische Kriegsgefangenschaft und kam erst 1920 wieder nach Deutschland zurück. Paul Jacobsthal holte Bremer als Assistent nach Marburg, dort habilitierte er sich über die "Frühzeitlichen Beziehungen zwischen Süd- und Nordeuropa".

1922 wurde Bremer zum außerordentlichen Professor in Marburg ernannt. Schon seit 1923 wurde Prähistorie auf Anregung von Jacobsthal als Prüfungsfache in Marburg anerkannt, da zahlreiche Studenten das Fach studierten und um einen entsprechenden Abschluß bemüht waren.

1925 erhielt Bremer einen Ruf nach Dublin. Man bemühte sich in Marburg, Bremer zu halten und war bestrebt für ihn eine planmäßige Professur einzurichten. Das Ministerium stellte jedoch eine solche planmäßige Professur erst für das 400-jährige Jubiläum der Philipps-Universität im Jahr 1927 in Aussicht. Im Juni 1926 erfolgte der entsprechende Antrag, im November des Jahres verstarb Bremer in Dublin.

Abb. 1 Protokoll der Fakultätssitzung vom 28.4.1926: Besprechung über evtl. Anträge zum Jubiläum 1927 Dek. teilt mit, daß vom Minist. Ein Ordinariat für Prähistorie in Aussicht gestellt worden ist. Dek. stellt Antrag, zum Jubiläum um diese Professur zu bitten.

Im März 1927 lag die Einwilligung des Ministeriums für die Einrichtung eines Ordinariats vor. Auf der Vorschlagsliste der Fakultät standen O. Menghin, G. Behrens, L. Franz und G. von Merhart. Die Fakultät nahm zunächst die Verhandlungen mit Menghin auf. Doch schon im Oktober 1927 fanden erste Gespräche mit Merhart statt. Diese konnten dann im Frühjahr 1928 mit der Berufung Merharts zu einem positiven Abschluß geführt werden.

Abb. 2 Gero Merhart von Bernegg

Zum Wintersemester 1928/29 wurde dann der Lehrbetrieb in sogenannten Jubiläumsbau, heute Ernst- von Hülsten-Haus, aufgenommen. Zu den ersten Studenten gehörten Wolfgang Dehn, Otto Uenze, Rafael von Uslar, Hans Piesker, Werner Buttler und Karl Heinz Wagner. Kurt Bittel promovierte sich schon 1929 in Maburg über La Tène in Württemberg.

Die Themen der ersten Lehrveranstaltungen waren sehr praxisbezogen, da Merhart neben seiner Tätigkeit als Universitätsprofessor gleichzeitig Staatlicher Vertrauensmann für die hessische Denkmalpflege war. Archäologische Landesaufnahme, das Ausgrabungswesen, Inventarisierung und Katalogisierung von Sammlungen gehörten zu den ersten Veranstaltungen. Quellenkunde und die Methode des Faches waren weitere wesentliche Themen, die immer wieder gelehrt wurden, die Behandlung einzelner Epochen trat dahinter etwas zurück.

Der "Marburger Laden" unter Merhart entwickelte sich schnell zu einem Zentrum für die vorgeschichtliche Ausbildung und war im In- und Ausland sehr anerkannt und angesehen.

Die umfangreichen Akten sowohl in der Universität als auch im Hessischen Staatsarchiv in Marburg beleuchten in die Entstehungsgeschichte des Vorgeschichtlichen Seminars und die Handlungen der agierenden Personen in der Weimarer Republik, im 3. Reiches und während der Nachkriegszeit und sollen unter verschiedenen Aspekten untersucht werden.

Literatur:

Cl. Theune, Gero von Merhart und die archäologische Forschung zur vorrömischen Eisenzeit. In: H. Steuer (Hrsg.), Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995. RGA Ergänzungsbd. 29 (Berlin 2001) 151-171.

Cl. Theune, Die Institutionalisierung der Prähistorie an den deutschen Universitäten am Beispiel Marburg. In: J. Callmer / M. Meyer / R. Struwe / Cl. Theune (Hrsg.), Die Anfänge der ur- und frühgeschichtlichen Archäologie als akademisches Fach (1890 – 1930) im europäischen Vergleich. Berliner Archäologische Forschungen 2 (Rahden/Westf. 2006) 81-94.

G. Kossack, Gero Merhart von Bernegg. In: I. Schnack (Hrsg.), Marburge Gelehrte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Veröff. Hist. Komm. Hessen 35 (Marburg 1977) 332-356.

G. Kossack, Gero v. Merhart und sein akademischer Unterricht in Marburg. In: Gedenkschrift für Gero von Merhart zum 100. Geburtstag. Marburger Studien z. Vor- und Frühgeschichte 7 (Marburg 1986) 1-16.